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Auf den verschlungenen Spuren eines Pfullinger „Krachschlägers“

Ein Beitrag aus der Reihe „Ans Licht geholt“ von Stadtarchivar Stefan Spiller

Unsere Geschichte beginnt im Jahr 1935, als sich die Pfullinger Kriegerkameradschaft dazu entschloss, lärmtechnisch aufzurüsten und von der Firma Josef Wenig im niederbayerischen Pocking eine Salutkanone zu erwerben.

Mit Salutschüssen sollte vor allem verstorbenen Kameradschaftsmitgliedern bei Beerdigungen die letzte Ehre erwiesen werden. Im Schreiben des Kameradschaftsvorsitzenden Carl Mayer, in dem bei den Vereinsmitgliedern um Spenden geworben wurde, heißt es dazu ganz im Stil der militärischen Vereinskultur: „Es ist dem Menschen gesetzt, einmal zu sterben und der unerbittliche Tod ruft einen um den anderen unserer Kameraden zur großen Armee ab. […] Kanonendonner hat die Kameraden während des Krieges Tag und Nacht umtobt, Kanonendonner soll unser letzter Gruß an sie sein!“

Mit Spenden wurde dann nicht nur das Salut-Kanonenmodell B I zum Preis von 325 Reichsmark angeschafft, sondern in der Gottfried-Maier-Straße ein eigenes Häuschen zur Unterbringung der Kanone errichtet. Während man mit der „Knallwirkung“ nach gründlichem Ausprobieren sehr zufrieden war, bemängelte man die zu schwachen eisernen Radreifen der Lafette, die man von einem hiesigen „Schmiedmeister“ austauschen ließ.

Nach dem Ende des 2. Weltkrieges, als Vereine zur militärischen Traditionspflege auf alliierte Weisung aufgelöst werden mussten, wurde es erst einmal still um das Böllergerät, das irgendwann seinen Weg in die ehemalige Kapelle der Heilanstalt Flamm auf dem Schlossareal gefunden haben muss. Hier beginnt der zweite Teil der Geschichte um die Salutkanone, die einer ihrer Protagonisten, der Pfullinger Walter Mollenkopf, der zu den Mitbegründern des Militärhistorischen Museums Engstingen-Haid gehört, nach Vermittlung durch dessen Vorsitzenden Joachim Erbe kürzlich im Stadtarchiv Pfullingen zum Besten gab: Es muss in den 1960er-Jahren gewesen sein, als ein Pfullinger Altwaren- und Metallhändler Mollenkopf, von dem er wusste, dass er sich für Militaria interessierte, die Kanone anbot. Er selbst habe diese für zwei Kisten Bier an zwei städtische Bauhofmitarbeiter vom Schlossareal mitnehmen können. Mollenkopf sei die Kanone jedoch viel zu groß gewesen, der Altwarenhändler habe sie nicht wieder mitnehmen wollen, so dass sie etwa ein halbes Jahr im Garten in der Bachstraße gestanden habe.

Dann sei eines Tages der Fahrer eines Fahrzeugs mit Schweizer Kennzeichen darauf aufmerksam geworden und habe sein Interesse gegenüber Mollenkopf bekundet, der den vermeintlichen Schweizer an den Altwarenhändler verwies, mit dem dieser handelseinig geworden sei und die Kanone schließlich mit dem Auto abgeholt habe. Einige Wochen später sei die Polizei bei Mollenkopf vorgefahren und habe sich nach dem Verbleib der Kanone, die gestohlen sei, erkundigt, woraufhin er sie ebenfalls an den Altwarenhändler verwiesen habe. Nach Anzeige der Stadt als letztem Eigentümer der Kanone kam es zum Prozess gegen den Altwarenhändler, bei dem Walter Mollenkopf als Zeuge auftreten musste und sich die beiden Bauhofmitarbeiter, die die Mitnahme der Kanone gegen die flüssigen „Naturalien“ gestattet hatten, an nichts mehr erinnern konnten. Der Altwarenhändler kam schließlich mit einer Bewährungsstrafe davon.

Mollenkopf war mittlerweile bei der Bundeswehr und das Schießgerät seit etlichen Jahren „verschollen“, als ihn bei einem Ausflug zum Schönberg jemand angesprochen habe, dass man sich doch irgendwoher kenne: Es war der vermeintliche „Schweizer“, bei dem es sich um niemand anderes als das Pfullinger Original Peter Kramer handelte, der seinerzeit in der Schweiz gearbeitet habe, das militärisch anmutende Böllergerät jedoch nicht über die Grenze bekommen habe. Die Salutkanone war daraufhin in einem Haus in der Griesstraße untergestellt, das aber nun verkauft werden sollte. Peter Kramer bot sie daher erneut Walter Mollenkopf an, der nach all den Scherereien damit verständlicherweise nichts mehr zu tun haben wollte. Da der 1. Mai kurz bevorstand, einigte man sich auf einen Maischerz der besonderen Art, indem man die Kanone zum 1. Mai 1975, gleichsam aus dem Nichts, wieder auftauchen ließ und geschmückt mit Maiengrün und begleitet von einem wohlgereimten Gedicht angekettet in den Pavillon des Stadtgartens stellte – die Presse berichtete damals darüber.

Ihre Identität, die bis heute nur wenigen Eingeweihten bekannt gewesen sein dürfte, gaben die Verantwortlichen natürlich nicht preis, wie sie dies auch in ihrer lyrischen „Bekanntmachung“ kundtaten: „Pfullingen, die Heimatstadt, // mich heute endlich wiederhat. // Ich kehr‘ zurück aus dritter Hand, // die meinen wahren Wert erkannt // und mich beschützte andrerseits // vor fremden Diensten in der Schweiz. // Erworben einst und nicht verschrottet, // dann Jahre lang gut eingemottet: hier steh‘ ich nun im Tageslicht! // Wer mich gebracht, verrat‘ ich nicht.“ […]

Nun wurde der Schützenverein auf die Kanone aufmerksam und erkundigte sich beim damaligen Bürgermeister Kurt App, ob man sie nicht übernehmen könne. Nach offiziellem Einverständnis geschah dies auch, und wie es mit Neuerwerbungen so ist, müssen diese selbstverständlich ausgiebig getestet werden. Bei einem der Versuche am Georgenberg, oberhalb des heutigen Spielplatzes an der Römerstraße, sei die Schwarzpulverladung wohl etwas zu brisant gewesen, so dass es an einem darunterliegenden Haus durch die Druckwelle zu Beschädigungen gekommen sei. Gegen eine Geldzahlung habe der Geschädigte von einer Anzeige abgesehen. Damit hatte vermutlich auch der Schützenverein genug von dem Böllergerät. Hier schließt sich der Kreis, indem der „Krachschläger“ zum städtischen Bauhof kam, wo er heute noch – sorgfältig angekettet – sein friedliches Dasein fristet.

Pfullinger Salutkanone

Botschaft Pfullinger Salutkanone

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