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Aussprache über Denkmal zum „Pfullinger Frauenaufstand“


„Wir wollen das Thema nicht hinter verschlossenen Türen diskutieren, sondern deutlich vermitteln, wofür unser Denkmal steht.“ Mit diesen Worten eröffnete Bürgermeister Stefan Wörner eine besondere Sitzung der Arbeitsgruppe für die Gestaltung der Erinnerungsstele zum „Pfullinger Frauenaufstand“. Besonders war sie, weil neben Stadtarchivar Stefan Spiller sowie den Mitgliedern aus dem Gemeinderat, Martin Fink (UWV), Meike Schmied (CDU), Britta Wayand (FWV), Traude Koch (GAL) und Karen Scheck (SPD), auch Andrea Leichsenring und Ellen Junger zugegen waren. Letztere hatte sich unlängst in einer Petition gegen die aktuelle Gestaltung der Stele ausgesprochen, die gut 600 Menschen unterzeichnet haben. Auch Designer Christoph Dohse, der mit eben dieser Gestaltung beauftragt wurde, war bei der Aussprache im Sitzungssaal des Rathauses dabei. Geändert werden kann und soll an der Stele allerdings nicht mehr, das war eine der wichtigen Botschaften an diesem Abend. Der Gemeinderat hat den finalen Auftrag bereits Ende letzten Jahres erteilt.

Zunächst stellte Stefan Spiller die Genese der Arbeitsgruppe vor, die in einem anderthalb Jahre dauernden Prozess von Mai 2020 bis November 2021 Inhalt und Gestaltung der Stele diskutiert und erarbeitet hat. „Wir mussten entscheiden, wie wir das Geschehen prägnant darstellen, sodass es den komplexen, historischen Ereignissen gerecht wird“, fasste er die Aufgabenbeschreibung zusammen. Auch angesichts einer teilweise diffusen Quellenlage habe am Ende eine zentrale Quintessenz gestanden: „Es war gerade die Masse der Frauen, die diesem Ereignis seine große Bedeutung verliehen hat“, so Spiller.

Einen ähnlichen Schwerpunkt legte auch Martin Fink. Dem Wunsch von Ellen Junger, den Namen von Sofie Schlegel, die die französischen Soldaten im weißen Kleid erwartet haben soll, als herausgehobene Figur des Aufstands auf der Stele zu erwähnen, entgegnete er folgendermaßen: „Viele Frauen sind mit weißen Leinen den Alliierten entgegengegangen. Von manchen kennen wir die Namen, von anderen nicht.“ Er habe sich ausführlich mit den Zeitzeugenberichten auseinandergesetzt und viele Gespräche selbst geführt. Aber: Auch die Zeitzeugen könnten die Frauen weder vollständig benennen noch eine konkrete Zahl liefern. „Gesichert wissen wir lediglich, dass es zahlreiche waren“, so Fink.

Der Text auf der Stele soll ausdrücklich allen Frauen, die damals gegen das Regime aufstanden, gleichermaßen gedenken. Dort wird zu lesen sein: „In dankbarer Erinnerung an das mutige Aufbegehren zahlreicher Pfullinger Frauen am 20., 21. und 22. April 1945. Mit dem Abbau von Panzersperren und wütendem Protest vor dem Rathaus widersetzten sie sich dem fanatischen Durchhaltewillen der Pfullinger Volkssturmführung und bewahrten ihre Stadt vor Zerstörung und weiteren Opfern.“ Am Dienstag brachten alle AG-Mitglieder zum Ausdruck, dass sie auch weiterhin ein Gedenken ohne die Nennung einzelner Namen für richtig halten.

Stefan Wörner wies an diesem Punkt auf den QR-Code hin, der sich auf der Stele befinden wird. Er stellt eine direkte Verbindung zu einem Online-Portal her, auf dem etwa die Überlieferungen der Geschichten einzelner Frauen und viele weitere Aspekte einen Raum bekommen werden, den das Denkmal naturgemäß gar nicht bieten könne. Dort hätte beispielsweise Ellen Junger selbst die Gelegenheit, einen Beitrag zu Sofie Schlegel beizusteuern. Aber auch Schulklassen, die sich zukünftig mit dem Thema befassen, sollen dort ihre Ergebnisse hinterlegen. Traude Koch nannte darüber hinaus das Stadtgeschichtliche Museum als einen möglichen Ort, an dem weitere Facetten der historischen Ereignisse in jenen Tagen thematisiert werden könnten.

In ihrer Petition wendete sich Ellen Junger auch gegen gestalterische Aspekte der Stele. Am Dienstagabend beschrieb sie, dass die neun „X“ falsche Bilder hervorrufen würden, da es sich dabei um Symbole für klassische Panzersperren handle, während doch in Pfullingen allerlei Gegenstände als Blockaden auf die Straßen gebracht worden seien – bis hin zu Straßenbahnwagen. Sie könne nicht nachvollziehen, warum man beim grafischen Teil des Denkmals auf diese Weise abstrahiere, sagte sie. „Mit geht es dabei nicht um Geschmacksfragen, sondern um Frauengeschichte.“

Meike Schmied wies darauf hin, dass eines der X in der Darstellung gerade wegen des mutigen Einsatzes der Frauen bröckele und Designer Christoph Dohse unterstrich die symbolische Bedeutung der „X“, die nicht nur die Blockaden an sich repräsentieren sollen. Ihm zufolge sei die Aussage vielmehr: Die Frauen zerstören nicht nur die Sperren, sondern brechen auch das System als Ganzes auf.

Ein dritter Diskussionspunkt kam der Barrierefreiheit des Denkmals zu. Ellen Junger hatte da Bedenken formuliert, insbesondere mit Blick auf Kinder beziehungsweise Menschen im Rollstuhl und Sehbehinderte. Die AK-Mitglieder konnten hier von eigenen Praxistests berichten, bei denen sie sich überzeugen konnten, dass die Schrift auch aus sitzender Position zu lesen sei. Für Menschen mit eingeschränkter Sicht soll es über den QR-Code die Möglichkeit geben, sich den Text vorlesen zu lassen.

Zum Resümee hielt Karen Scheck fest, dass das Denkmal bereits viel bewirkt habe: „Es hat Kontroversen ausgelöst und jetzt sind die Debatten da“, lobte die Stadträtin. Da konnte sich auch Stefan Wörner anschließen. „Wir haben, und das sage ich ganz bewusst positiv, jetzt schon das Ziel erreicht, dass sich die Stadt mit dem mutigen Aufbegehren der Frauen beschäftigt.“ Darüber hinaus lud er Ellen Junger ein, bei der Einweihung des Denkmals zugegen zu sein und ihre Perspektive mit einzubringen. Die Stele wurde vom Gemeinderat bereits im November des vergangenen Jahres in Auftrag gegeben und soll ihre neue Heimat vor dem Rathaus 1 finden, sobald die Marktplatzumgestaltung dies zulässt.

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